»Von wegen Puppen!« — Handmade Kultur

Der Himmel hängt voller Arme und Beine. Auf Regalen liegen Hände und Köpfe, daneben stehen Torsos.

Eineinhalb Tage lang bleiben die Teile nach der Lackierung im Trockenraum. Normalerweise werden Lacke mit Lüfter und Wärme ausgehärtet. Bei Mohr&Models, der Firma von Jan Wegener, trocknen sie bei Zimmertemperatur. Das spart nicht nur Platz, sondern vor allem Energie. Spezielle Lacke, die ungiftig sind, machen das möglich. Der Firmenchef erklärt stolz: »Wir verwenden lösungsmittelreduzierte und keine Wasserlacke. Die sind extra für uns entwickelt worden und kommen eigentlich aus der Luftfahrt. Wasserlacke setzen sich bei der Verarbeitung stärker in der Lunge ab.«

Die Firma Mohr&Models steht jetzt auf dem Gelände der Berliner Malzfabrik im Stadtteil Schöneberg. Seit 2010 designen, produzieren und bearbeiten hier 18 Puppenmacher rund um Wegener Schaufensterfiguren. 14.000 Stück im Jahr. Wegener sagt: »Wir passen gut hierher.«

Der gebürtige Dresdener und gelernte Kfz-Mechaniker kam vor zwölf Jahren zum Kellnern nach Berlin. »Irgendwann bin ich im »Wintergarten Varieté « gelandet.« Anfangs schleift er Messingapplikationen, baut Bühnenbilder und Requisiten, dann macht er sich selbstständig. Auf der Suche nach eigenen Gewerberäumen lernt er ein älteres Ehepaar kennen, das ihm sein Unternehmen zur Übernahme anbietet. Das »Atelier Reinhold Mohr« ist eine Firma für Verleih, Verkauf und Reparatur von Schaufensterfiguren. Doch bevor Wegener das Atelier von den Mohrs übernimmt, geht er bei ihnen erst einmal noch für sechs Monate in Lehre. Er lernt zum Beispiel, wie man den Figuren Make-up auflegt. Ohne Airbrush- Technik. »Wir sind eine der wenigen Firmen, die das Make-up mit Öl machen«, wird Wegener später sagen. Heute zieht eine Visagistin den Schaufensterfiguren den Lidstrich, schminkt Augen und Lippen, malt Augenbrauen. Wegener sagt: »Jeder Pinselstrich wird einzeln gezogen. Das dauert zwar länger, dafür ist der ›Blick‹ der Figuren aber intensiver.« Wie Menschen sehen sie aus.

Die ersten eineinhalb Jahre lang arbeitet Wegener alleine. Tagsüber akquiriert er Kunden und schleift. Nachts lackiert er, denn dann ist es ruhig: »Ich habe mir extra ein Telefon mit einem Blitzlicht gebaut, damit ich sehe, wann es klingelt.«

Was Wegener nicht kann, bringt er sich selbst bei. Seine Lackierkenntnisse aus Mechaniker-Zeiten kommen ihm dabei zugute. Doch es ist etwas anderes, ob man ein Auto lackiert oder eine Schaufensterpuppe. »Das ist nämlich dreimal so schwer! Denn die Puppe hat nur Rundungen. Da gibt es viele Bereiche, wo man mit der Lackierpistole mehrfach hinkommt, da muss man aufpassen, dass sich keine Nasen bilden. « Und wenn doch? »Na ja, dann wird geraspelt und geschliffen und zum Schluss poliert. Irgendwann sieht man keinen einzigen Kratzer mehr und es fühlt sich richtig gut an«, lacht Wegener.

Das Bein muss ab!

Mit einem Bildhauer zusammen plant Wegener die Erstform. Tischler schleifen und spachteln dann an den mit Glasfasern verstärkten Kunststofffiguren. »Da muss der Kopf ab«, »da muss der Arm ab«, »hier musst du den Arm brechen und nochmal neu ansetzen« sind gängige Arbeitsanweisungen, die sich Bildhauer und Tischler zurufen. Ständig müssen sie neu anpassen. Damit zum Beispiel die Bügelfalte einer Hose richtig sitzt, wird mehrmals anprobiert. Fällt die Falte nicht richtig, muss das Bein angepasst werden. Wegener erläutert warum: »Die Schnittmuster müssen getestet werden. Sitzt die Hose nicht perfekt, muss an die Figur etwas rangespachtelt werden. Irgendwann legt sich die Falte so, wie sie soll!«

Erst wenn die Kleidung optimal sitzt, wird eine Form erstellt. »In die wird eine Feinschicht Lack eingestrichen, dann kommt die Glasfasermatte, damit die Glasfasermatte nicht durchsticht und es gut verarbeitet werden kann«, sagt Wegener. Erst dann geht die Figur in Produktion.

Die E-Models

Vor drei Jahren kam der Online-Riese »Zalando« mit einer Idee zu ihm: »Die wollten eine Figur mit VAusschnitt haben. Wir haben uns dann zusammengesetzt und für die Internetpräsentation von Klamotten das E-Shop Model entworfen.« Bei diesen Figuren kann man einzelne Körperteile herausnehmen: Kopf, Ausschnitt, Brustkorb ...

»Früher hat man das Kleidungsstück auf einer normalen Schaufensterfigur fotografiert. Dann hat man es auf links gedreht, um den Innenbereich oder das Futter des Kleidungsstücks zu fotografieren. Das musste dann manuell am Bildschirm ausgeschnitten, wieder zusammengebastelt und freigestellt werden. Mit der Ausschnittfigur fällt dieser Arbeitsschritt weg.« Wer sich also bislang fragte, wer all die Pullover, Röcke und Hosen in den zahlreichen Online- Shops dieser Welt trägt ... es könnte eine Ausschnittfigur von Mohr&Models sein.

Diese Sonderanfertigungen werden alle in Deutschland produziert. Der Rest in Asien. »Die Ausschnittfiguren direkt in Berlin herzustellen, lohnt sich, da wir so viel schneller sind«, erklärt Wegener. Kunden wie Zalando, Zara, Karstadt, New Yorker, Peek & Cloppenburg gehören bereits zu seinen Abnehmer. Etwa 700 Schaufensterpuppen gehen zum Film oder ans Theater. »Sogar die Polizei hat schon einmal eine Figur ausgeliehen, zur Präsentation ihrer neuen Uniform«, sagt er.

Wegener, der 35-Jährige, hat das deutsche Patent darauf. Vor kurzem hat er ein weiteres Patent beantragt. Weltweit.

Die Puppenfabrik MohrModels Malzfabrik, Halle F Bessemerstraße 2-14 12103 Berlin, Germany

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